Aussage der Grafik

Während der Schulschliessungen aufgrund der Corona-Pandemie hatten Menschen mit Kindern zu Hause durchschnittlich weniger Zeit zum Arbeiten, Menschen ohne Kinder dafür mehr.

Erklärung

Menschen mit Kindern zu Hause: Leicht verständlich ist die eine Hälfte der Aussage: Wenn die Kinder nicht von der Schule betreut werden und auch die übrigen Betreuungseinrichten geschlossen sind, so müssen Menschen mit Kindern die Betreuung übernehmen und haben demnach weniger Zeit zum Arbeiten.
Ein Spezialfall sind Erwachsene in systemrelevanten Berufen. Hier mussten Notfallbetreuungen organisiert werden, damit die notwendige Kinderbetreuung sichergestellt werden konnte. Hier hatten die Erwachsenen somit nicht weniger Arbeitszeit zur Verfügung (aber der Betreuungsaufwand musste abgefangen werden).

Menschen ohne Kinder zu Hause hatten während der Corona-Krise ein eingeschränktes Freizeitangebot zur Verfügung, da Theater, Kinos, Sportanlässe, Museen etc. geschlossen und das Treffen von Verwandten und Bekannten nicht möglich war. Diese frei werdende Zeit liess sich entweder für andere Freizeitaktivitäten zuhause (Lesen, Spielen, Fernsehen, Gärtnern, Basteln etc.) oder aber war als zusätzliche Arbeitszeit verfügbar.

Auch bei Menschen ohne Kinder zuhause sind mindestens zwei Fälle denkbar, bei denen nicht mehr Arbeitszeit zur Verfügung steht:
  • Diese Menschen sind vor Corona keiner der oben erwähnten Freizeitbeschäftigungen nachgegangen (sondern haben z.B. bereits vor Corona Tag und Nacht gearbeitet). In diesem Fall hat die Corona-Krise keine zusätzlich verfügbare Arbeitszeit geschaffen.
  • Diese Menschen haben Freizeitbeschäftigungen, die durch die Corona-Krise nicht eingeschränkt worden sind. Auch bei diesen Menschen hat sich somit aufgrund der Corona-Krise nichts Grundsätzliches an ihrer verfügbaren Arbeitszeit geändert.

Diese ausführlichen Erläuterungen machen deutlich: Diese Grafik wurde nicht nur heftig begrüsst, sondern durchaus auch als falsch und gefährtlich kritisiert.

Weiterführende Überlegungen

Während ich zur obigen Grafik noch keine entsprechenden Studien kenne, gibt aus dem Wissenschaftsbereich bereits erste Berichte zur Zahl der eingereichten Publikationen von Männern und Frauen während der coronabedingten Schulschliessungen. Diesen Berichten zur Folge soll die Zahl der Einreichungen von Frauen deutlich gesunken sein, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass Wissenschaftlerinnen mehr Familenpflichten übernehmen als Männer.

Literatur

  • Colleen Flaherty (2020). No Room of One's Own Early journal submission data suggest COVID-19 is tanking women's research productivity. In: Inside Higher Ed.

Erstpublikation

Diskussion

Zitationsvorschlag
Beat Döbeli Honegger (2020). Erkenntnisse aus dem Notfallfernunterricht.
(abgerufen von http://wiki.doebe.li/Notfallfernunterricht am 13.04.2024)
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